Caritas-Chef warnt vor Kürzungen
Ein Wahlkampf geht zu Ende, der über weite Streckenim Zeichen der Migrationspolitik stand. Angefeuertdurch beklagenswerte Straftaten, die von Zugewanderten verübt wurden, steigerten sich die großen Parteien in einen Überbietungswettbewerb hinein, wer am härtesten auf Abschottungund Abschiebung setzt. Menschen, die tagtäglich mit Migrantinnen und Migranten arbeiten und sich um deren Teilhabeund Integration bemühen, wissen, wie es ihren Schützlingen in dieser aufgeheizten Stimmung geht.
Viele Geflüchtete verunsichert
Das 14-köpfige Migrationsteam der Caritas im katholischen Dekanat Zollern weiß ein Lied davon zu singen. "Viele Geflüchtete, auch solche, die einen Aufenthaltstitel haben, sind stark verunsichert", sagt MechthildUhl-Künzig, die bei der Caritas zusammen mit Taghrid Fattho die interkulturelle Ehrenamtskoordination leitet. "Auch wir verurteilen diese schrecklichen Straftaten",betont sie mit Blick auf Magdeburg, Aschaffenburg und München. "Aber der Trend zur Verallgemeinerung ist nicht schön. Viele, die schon lange bei uns im Land sind oder teilweise sogar hier geboren sind, müssensich täglich ausweisen und rechtfertigen,nur weil sie dunkle Haare haben. "Auch Stefanie Kieß von der Flüchtlingssozialarbeit sieht vielzu wenige konstruktive Ansätze in der aktuellen Debatte, die vielen Schutzsuchenden einfach nur Angst und Sorge bereite. Ja, so räumt sie ein, es gebe viele Probleme,die angepackt werden müssten: ein angespannter Wohnungsmarkt, zu wenige Sprachkurse, ungelöste Finanzierungsfragen. "Da braucht es Lösungen für die Integrationsarbeit", sagt Stefanie Kieß. Sie wünscht sich, dass die politischen Akteure die vielen Zugewanderten zur Kenntnis nähmen, "die sehr schnell die deutsche Sprache gelernt und Arbeit gefunden haben, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind, die sich für die Gesellschaft sehr nützlich machen". Und die Menschen, auf die Heidi Schuler von der Ukrainehilfe verweist: Ukrainerinnen, die parallel zum Besuch ihrer Integrationskurse noch Entlastungsdienste anbieten und gemeinnützige Arbeit in der Betreuung ältereroder erkrankter Mitbürger leisten.
Jede Woche Neuankömmlinge
Heidi Schuler hat auch drei Jahre nach Beginn des russischen Überfalls wöchentlich mit Neuankömmlingen zu tun, die aus ihrem kriegsgebeutelten Heimatland fliehen und im Zollernalbkreis Schutz suchen. 222 Klienten betreut sie aktuell im Gebiet des Dekanats Zollern, das von Gauselfingenbis ins hohenzollerische Unterland nach Glatt reicht. Sie hilft den Kriegsflüchtlingen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, vermittelt Kontakte zum Jobcenter und zur Ausländerbehörde und versucht, "ein offenes Ohr zu haben und so gut wie möglich zuhelfen".
Willkommenskultur geht zurück
Auch die Jungingerin beobachtet und beklagt: "Das anfängliche Willkommen für alle hat sich einbisschen gelegt." Auf dem Wohnungs- und auf dem Arbeitsmarkt sei es gleichermaßen schwierig. Und die Integrationskurse sind nicht nur bekannt dafür, dass man extrem lang auf sie warten muss; für 2025 hat die Bundesregierung auch noch die Budgets dafür drastisch gekürzt. "Das ist am falschen Ende gespart", meint Heidi Schuler. "Denn mit den Deutschkenntnissen steht und fällt doch alles. Das hört man auch immer wieder von den Arbeitgebern, bei denen sich Migranten vorstellen.
"Stichwort Kürzungen:
Michael Widmann, der Geschäftsführer des Caritasverbandes für das Dekanat Zollern, blickt mit einigem Unbehagen auf die bevorstehende Bundestagswahl. "Es bereitet uns Sorge", sagt er, "dass mit einer neuen Bundesregierung weitere Sparmaßnahmen kommen". Wenn die Lösungen in der Migrationspolitik darin bestehen sollten, die Grenzen dichtzumachen und weniger Geld für die Flüchtlingshilfe bereitzustellen, "dann wird es für uns als Sozialverband zunehmend schwierig werden, unsere große Bandbreite in der Migrationsarbeit aufrechtzuerhalten und die Menschen zu betreuen".
Hoch motiviertes Team
Die Caritas, zitiert Widmann den Slogan, öffne Türen für Teilhabe und Integration. "Und wir haben ein gutes, hoch motiviertes Team", das eine Vielfalt von Diensten leiste: den Jugendmigrationsdienst, die Migrationsberatung für Erwachsene, die Flüchtlingssozialarbeit mit Integrationsmanagementin kommunalen Unterkünften für Flüchtlinge und Obdachlose mit aktuell 220 betreuten Menschen zwischen Gauselfingen und Haigerloch, die Ukrainehilfe, die Koordination ehrenamtlicher Helfer und, und,und. Wenn nach der Wahl Sparmaßnahmengreifen sollten, dann stünden auch Personalstellen auf dem Spiel. "Dagegen stellen wir uns auf die Hinterbeine", kündigtder Caritas-Chef an.
Unternehmen als große Stützen
Dass damit mehr Frieden und mehr Sicherheit in die Gesellschafteinkehren würde, glaubt im Migrationsteam der Caritas niemand.Sie wissen aus ihrer täglichen Arbeit: Es braucht nicht weniger, sondern mehr Bemühungen um Integration. Und das nicht allein im Sinne der Mitmenschlichkeit, sondern auch ganz handfest für die deutsche Wirtschaft. Michael Widmann appelliert in diesem Zusammenhang, die vielen Unternehmen wahrzunehmen,die bereit sind, Geflüchtetezu beschäftigen. "Da gibt es nicht nur das Leuchtturmprojekt Trigema",sagt der Caritas-Chef, "auch viele Mittelständler und Kleinhandwerker,vom Maler bis zum Fliesenleger, bewähren sich als Stützen der Gesellschaft und geben Geflüchteten eine Chance". Darauf, so sein Wunsch, möge der Fokus der politischen Debatte gerichtet werden - und nicht auf Straftaten.
Erschienen am 22.02.2025 in der Hohenzollerischen Zeitung