Vortragender war der Soziologe und Eliteforscher Professor Michael Hartmann, der auf diesem Gebiet als Experte gilt und sich dazu regelmäßig in Talkshows oder auch der Tagesschau zu Wort meldet.
Ob ein Kind erfolgreich in der Schule ist und damit die Chance auf ein gutes und sicheres Einkommen hat, hängt nur bedingt von seinen Talenten und Fähigkeiten ab. Vielmehr spielt das Elternhauses eine Rolle. Dieser Zusammenhang sei nicht zu leugnen, da es dafür erdrückende Statistiken gibt, so Professor Hartmann.
An dieser Stelle gibt es allerdings weitverbreitete Vorurteile, die so nicht stimmen. Wenn Menschen an Kinder aus armen Verhältnissen denken, dann haben Sie Bilder aus Fernsehsendungen im Kopf, wie sie beispielsweise auf RTL 2 laufen. Dort sind Eltern zu sehen, die Ihre Kinder vernachlässigen und nicht zu deren Förderung beitragen (wollen). Statistiken zeigen, dass diese Eltern Ihren Kindern genauso oft Vorlesen oder etwas mit ihnen unternehmen wie Eltern aus eher reichen Verhältnissen. Vielmehr spielen nämlich die materiellen Gründe eine Rolle. Häufig fehlt es an ausreichend Platz, der für eine ungestörte Lernatmosphäre sorgt. Wenn nicht genug Platz für einen Schreibtisch ist, die Geschwisterkinder sich das Zimmer teilen oder die Wohnung an einer Hauptverkehrsstraße liegt, gibt es jede Menge Störquellen für das Kind. Solche Kinder müssen sich dadurch sehr viel mehr Bemühen um den gleichen schulischen Erfolg zu erzielen, als ihre Altersgenossen mit besseren materiellen Bedingungen.Diese Gegebenheiten sind also kein Naturgesetz, betont Professor Hartmann, sondern werden durch politische Entscheidungen bestimmt.
Dies sieht auch der Geschäftsführer des Caritasverbandes Elmar Schubert so: "Armut ist ein alter Hut. Es müssen Taten folgen. Dies geht nur, wenn sich die politischen Bedingungen verändern." Dass mittlerweile jedes fünfte Kind in Armut lebt, wird durch die aktuelle Corona-Krise zunehmend verschärft.
"Gerade das Home-Schooling geht auf Kosten der Kinder in armen Verhältnissen", so Professor Hartmann. Kinder verbringen jetzt noch mehr Zeit zuhause, was dazu führt, dass die technische Ausstattung eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Ein eigener Computer mit zugehöriger Hardware ist eine teure Anschaffung und damit für viele Familien einfach nicht drin. Die dafür vorgesehenen Mittel vom Sozialbudget reichen bei Weitem nicht aus und müssen dringend erhöht werden.
Der Vortrag fand im Rahmen der Woche für Armut statt, wozu die Liga der freien Wohlfahrtsverbände zum wiederholten Male mit einer Veranstaltung auf das Thema aufmerksam machte. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Zollernalbkreis ist ein Zusammenschluss der anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege: Caritasverband für das Dekanat Zollern e.V., Caritas Schwarzwald-Alb-Donau, DRK Kreisverband, ABA, Diakonie Bezirksstelle Balingen, Verein für gemeindenahe Psychiatrie im Zollernalbkreis e.V., Diasporahaus. Dieses Jahr fand die Veranstaltung in Kooperation mit der Initiative MACH DICH STARK statt, die auf das Thema Kinderarmut aufmerksam macht.
Ziel ist es, "sich über soziale Themen auszutauschen, über Missstände aufzuklären und die Stimme zu erheben", so die Pressesprecherin der Liga, Frau Schrade-Geckeler.Während im letzten Jahr die Veranstaltung aus einem gemeinsamen Essen und bunter Unterhaltung bestand, mussten sich die Veranstalter dieses Jahr auf die besonderen Umstände einlassen.
Einzelne Tische trennten die Zuhörer voneinander und auch der Mund-und Nasenschutz musste den gesamten Abend über getragen werden. Beim gebannten Zuhören gerieten diese Umstände jedoch schnell in Vergessenheit.
Zum Abschluss des Vortrags gab es noch die Möglichkeit Rückfragen zu stellen und in eine gemeinsame Diskussion einzusteigen.